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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 02.12.2003
Aktenzeichen: 17 U 44/03
Rechtsgebiete: WpHG, BGB


Vorschriften:

WpHG § 37 d Abs. 4
BGB § 278
BGB § 166 Abs. 1
1. Der durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.06.2002 eingeführte § 37 d Abs. 4 WpHG ist auf Vorgänge aus dem Jahr 1994 nicht anwendbar.

2. Die Sachkunde des Vertreters - hier über die Risiken von Börsentermingeschäften - muss sich der Vertretene nach den Grundsätzen über den Missbrauch einer Vollmacht nicht zurechnen lassen, wenn der Vertragspartner weiß, dass der Vollmachtgeber aufklärungsbedürftig ist und der Bevollmächtigte seine Kenntnisse nicht weitergeben wird.


Oberlandesgericht Karlsruhe 17. Zivilsenat

Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 17 U 44/03

Verkündet am 02. Dezember 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 04. November 2003 unter Mitwirkung von

Richter am Oberlandesgericht Hefermehl Richter am Landgericht Horn Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Seidel

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. Februar 2003 - 3 O 528/01 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 168.869,92 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ausgleich eines Schuldsaldos auf einem Bankkonto.

Die Beklagte eröffnete im Juli 1994 mehrere Konten bei der Klägerin. Die Verträge wurden in Anwesenheit des Zeugen L., eines Bankmitarbeiters der Klägerin, sowie des Zeugen B., der die Beklagte angeworben hatte, in der Filiale D. der Klägerin abgeschlossen. Außer den Kontoeröffnungsanträgen unterzeichnete die Beklagte eine umfassende Kontovollmacht für den Zeugen B., die Rahmenvereinbarung für Börsentermingeschäfte an der Deutschen Terminbörse sowie das Informationsblatt über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften. Auf die Konten wurde aus dem Vermögen des Zeugen B. von einem anderen Konto ein Betrag von 60.000 DM überwiesen. In der Folgezeit tätigte der Zeuge B. - ausschließlich aus seinen eigenen Mitteln - aufgrund seiner Kontovollmacht Optionsscheingeschäfte zu Lasten des Kontos der Beklagten, was zu hohen Verlusten führte. Unter Verrechnung eines Guthabens der Beklagten auf einem anderen Konto sowie unter Verrechnung von Sicherheiten, welche die Beklagte gestellt hatte, ergab sich der mit der Klageforderung geltend gemachte Sollsaldo von 168.869,92 €.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen B. und L. die Klage abgewiesen. Die Beklagte könne dem Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Schuldsaldos auf dem Konto im Wege der Aufrechnung einen Schadensersatzanspruch gemäß § 37 d Abs. 4 WpHG entgegenhalten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Klägerin ihrer gesetzlichen Verpflichtung, der Beklagten alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, die zur Wahrung ihrer Interessen im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich gewesen seien, nicht nachgekommen. Der Zeuge L. habe die Beklagte bewusst über die erheblichen Risiken des Optionsscheinhandels im Ungewissen gelassen. Die Zeugen L. und B. hätten gemeinsam darauf hingewirkt, dass die Beklagte über die Tragweite der von ihr unterzeichneten Erklärungen nicht aufgeklärt worden sei. Das Fehlverhalten des Zeugen L. müsse sich die Klägerin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fassung des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes seien im vorliegenden Fall anwendbar, da die Übergangsbestimmungen in den §§ 41 ff. WpHG lediglich auf einige Altvorschriften verwiesen. Im Übrigen gelangte man zu dem gleichen Ergebnis, wenn das frühere Recht vor Inkrafttreten des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes anzuwenden sei. In diesem Fall wäre die Beklagte zwar als börsentermingeschäftsfähig gemäß § 53 Abs. 2 BörsG a. F. anzusehen. Gleichwohl habe auch nach altem Recht eine sogenannte sekundäre Informationspflicht bestanden. Die Klägerin habe den von ihr zu erbringenden Nachweis, dass die Beklagte anlegergerecht informiert worden sei oder auf eine Beratung verzichtet habe, nicht geführt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie den Klageanspruch weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie aus, dass das Landgericht zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch aus § 37 d Abs. 4 WpHG hergeleitet habe. Diese Vorschrift sei erst im Jahr 2002 durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführt worden und könne daher nicht auf den Abschluss der vorliegenden Verträge im Jahr 1994 angewandt werden. Auch fehle eine ausdrückliche Übergangsregelung, so dass es bei dem allgemeinen Grundsatz verbleibe, dass ein neues Gesetz keine Rückwirkung entfalte. Richtig sei zwar, dass nach der früheren Gesetzeslage über die formale Herstellung der Börsenterminsgeschäftsfähigkeit hinaus im Einzelfall weitere Aufklärungspflichten bestehen könnten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei für die Notwendigkeit einer weitergehenden individuellen Aufklärung die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Zudem seien im Juli 1994 lediglich Konten eröffnet worden, aber kein Börsentermingeschäft getätigt worden, weshalb zu diesem Zeitpunkt eine Aufklärungs- oder Warnpflicht bei der Anlageberatung nicht angezeigt gewesen sei. Hinzu komme, dass sämtliche späteren Geschäfte vom Zeugen B. durchgeführt worden seien, bei dem es sich um eine in Börsentermingeschäften langjährig erfahrene Person handele. Die Kenntnisse des Zeugen B. müsse sich die Beklagte aber gemäß § 166 BGB zurechnen lassen. Sollte von einem kollusiven Zusammenwirken des Zeugen L. mit dem Zeugen B. ausgegangen werden, könne ihr die Pflichtverletzung des Zeugen L. nicht zugerechnet werden, da er dann nicht mehr in Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben gehandelt habe. Zu beanstanden sei ferner die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Vorgänge lägen immerhin rund acht Jahre zurück, so dass aus dem Umstand, dass der Zeuge L. weniger detaillierte Angaben gemacht habe, keine Rückschlüsse auf seine Glaubwürdigkeit gezogen werden könnten. Das gleiche gelte von dem vom Zeugen B. erwähnten Margin-Call. Dies betreffe einen bei Börsentermingeschäften nicht unüblichen Vorgang zum kurzfristigen Ausgleich des Kontos. Die Beratung der Beklagten habe hierunter nicht gelitten. Zudem ergebe sich aus den Unterlagen, dass der Besprechungstermin wahrscheinlich am 11.07.1994 stattgefunden habe und für diesen Tag kein Margin-Call nachgewiesen sei. Ferner sei bei der Würdigung der Aussage des Zeugen B. unberücksichtigt geblieben, dass er es gewesen sei, welcher der Beklagten durch sein leichtfertiges Handeln einen enormen Schuldenberg aufgebürdet habe. Insgesamt sei die Aussage des Zeugen B. nur deshalb so detailliert und ausführlich ausgefallen, weil er sich die Geschichte, die er dem Gericht erzählt habe, zuvor in allen Einzelheiten zurecht gelegt habe.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13.02.2003 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 168.869,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % p. a. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 16.01.1996 und seit dem 01.01.1999 über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, dass die Beweiswürdigung durch das Landgericht nicht zu beanstanden sei. Die Aussagen der Zeugen B. und L. seien sehr sorgfältig abgewogen worden. Auch bei Anwendung des früher geltenden Rechts stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu, da es an einer ordnungsgemäßen Aufklärung seitens des Zeugen L. gemangelt habe. Sie habe unstreitig von Börsentermingeschäften keine Ahnung gehabt und zuvor niemals irgendwelche Börsenpapiere, Aktien, Renten oder Optionsscheine besessen, so dass erheblicher weiterer Aufklärungsbedarf bestanden habe. Der Hinweis der Klägerin auf das Parallelverfahren Dr. B. sei nicht tragfähig. In diesem Verfahren sei der Zeuge B. von Anfang an als dessen Vertreter aufgetreten und Dr. B. niemals bei einem Beratungsgespräch in der Bank erschienen. Zudem sei er ein mit Börsengeschäften vertrauter Geschäftsmann, der mit seinem eigenen Geldvermögen spekuliert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zurecht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht kein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte wegen des Sollsaldos auf dem Konto von 168.869,92 € aus § 675 i. V. m. § 670 oder aus § 607 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte hat gegen die Forderung wirksam mit einem Schadensersatzanspruch aufgerechnet.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Schadensersatzanspruch der Beklagten allerdings nicht aus § 37 d Abs. 4 WpHG abgeleitet werden. Die Klägerin weist zurecht darauf hin, dass diese Vorschrift erst durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (4. Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21. Juni 2002 eingeführt wurde. Nach dem in Art. 170 EGBGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken sind Inhalt und Wirkung eines Rechtsverhältnisses nach dem Recht zu beurteilen, welches zur Zeit der Verwirklichung seines Entstehungstatbestandes galt (vgl. BGHZ 10, 391, 394; 99, 363, 369). Ob einem Gesetz ausnahmsweise rückwirkende Kraft zukommt, hängt davon ab, ob die Rückwirkung in bestimmter Weise geboten ist oder besondere Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Gesetzeswille auf sie gerichtet ist. Danach bleiben für Rechte und Rechtsverhältnisse, die vor dem Inkrafttreten eines Gesetzes entstanden sind, die bisherigen Gesetze maßgebend, sofern nicht eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot der Rückwirkung aus dem neuen Gesetz, insbesondere aus seinen Übergangsvorschriften zu entnehmen ist (vgl. BGHZ 14, 205, 208). Nach diesen Grundsätzen kann § 37 d Abs. 4 WpHG nicht auf Vorgänge angewandt werden, die vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift gemäß Art. 23 des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes zum 01. Juli 2002 stattgefunden haben. Eine Regelung in dem Gesetz, wonach § 37 d Abs. 4 WpHG rückwirkende Geltung haben soll, fehlt. Art. 23 des Gesetzes bestimmt lediglich für einzelne, hier nicht einschlägige Vorschriften, ein späteres Inkrafttreten. Und in Art. 2 des Gesetzes, in welchem die Regelungen über die Änderung des WpHG enthalten sind, ist lediglich eine Übergangsregelung für ausländische organisierte Märkte vorgesehen (vgl. Art. 2 Nr. 28 des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes).

Aus den gleichen Gründen kann ein Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 Abs. 2 WpHG gestützt werden. Die allgemeinen Verhaltensregeln, die in § 31 WpHG genannt sind, wurden erst durch das insoweit am 01. Januar 1995 in Kraft getretene Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (2. Finanzmarktförderungsgesetz) eingeführt und galten damit zum Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Vertragsabschlusses vom Juli 1994 noch nicht.

2. Die Beklagte hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin jedoch aus Verschulden bei Vertragsschluss (cic) in Verbindung mit § 278 BGB. Zwar waren Börsentermingeschäfte gemäß § 53 Abs. 2 BörsG in der Fassung des Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Änderung des Börsengesetzes vom 11. Juli 1989 verbindlich, wenn die dort verlangten schriftlichen Informationen vor Geschäftsabschluss erteilt wurden, was hier unstreitig der Fall ist, da die Beklagte die insoweit genügenden Hinweise durch Übergabe der "wichtigen Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" erhalten hat. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass bei Börsentermingeschäften auch im Falle der Erfüllung der Informationspflichten nach § 53 Abs. 2 BörsG a.F. und der damit verbundenen Herstellung der Börsenterminsgeschäftsfähigkeit des Kunden je nach Lage des Einzelfalls ein weitergehender, die Besonderheiten des konkreten Geschäfts betreffender Informationsbedarf des privaten Anlegers bestehen kann, der zu einer zusätzlichen Aufklärungspflicht führt. Bei Verletzung dieser Pflicht macht sich die Bank aus Verschulden bei Vertragsschluss oder aus positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig (vgl. BGH NJW 1996, 2511, 2512; BGH NJW 1998, 2673). Gegen diese sogenannte sekundäre Aufklärungspflicht hat die Klägerin im vorliegenden Fall verstoßen. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen hat der Zeuge L. die Beklagte bewusst über die erheblichen Risiken, die mit dem Optionsscheinhandel verbunden waren, im Ungewissen gelassen. Die Zeugen L. und B. wirkten gemeinsam darauf hin, dass die Beklagte über die Tragweite der von ihr unterzeichneten rechtsgeschäftlichen Erklärungen nicht aufgeklärt wurde. Hinsichtlich der speziellen Risiken der Optionsscheingeschäfte blieb die Beklagte völlig ahnungslos. Bei der Unterzeichnung der verschiedenen Erklärungen erfolgte durch keinen der beiden Zeugen eine Belehrung über deren Bedeutung.

Diese Feststellungen des Gerichts des ersten Rechtszuges sind für das Berufungsverfahren zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Solche konkreten Zweifel können sich auch aus einem Verfahrensfehler im Rahmen der Beweiswürdigung ergeben (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für eine fehlerhafte Beweiswürdigung aber nichts ersichtlich. Das Gericht ist im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aussage des Zeugen B. zu folgen ist und hat die Gründe angegeben, die für die Überzeugung leitend gewesen sind. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aufgrund seines persönlichen Eindrucks von den Zeugen - trotz des Zeitablaufs - der präzisen und detailreichen Aussage des Zeugen B. gefolgt ist, zumal es bei seiner Würdigung berücksichtigt hat, dass sein Verhalten dazu beigetragen hat, dass sich die Beklagte gegen die Forderung der Klägerin erwehren muss. Zurecht hat das Landgericht auch dem Umstand maßgebliche Bedeutung beigemessen, dass der Zeuge L. im Rahmen der bankinternen Aufklärung des Vorfalls im Schreiben vom 25.02.1996 unrichtige Angaben gemacht hat, indem er behauptete, die Beklagte habe ihm einen Scheck bei der Kontoeröffnung übergeben. Tatsächlich steht fest, dass das gesamte Geld von einem Konto des Zeugen B. stammt und auch in der Folgezeit niemals Wertpapiergeschäfte mit Geldern der Beklagten getätigt wurden. Welche Auswirkungen der vom Zeugen B. erwähnte Margin-Call auf seinem Konto auf die Unterredung mit der Beklagten hatte und ob dieser Margin-Call aus den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist, ist demgegenüber unerheblich, da eine weitere Belehrung über die besonderen Risiken der Optionsscheingeschäfte unstreitig nicht erfolgt ist.

Wenn die Beklagte aber nur als "Strohfrau" die Verträge abgeschlossen hat bzw. ihren Namen für die Kontoeröffnungen zur Verfügung gestellt hat, um dem Zeugen B. weitere Wertpapiergeschäfte zu ermöglichen, damit er möglicherweise eine Referenz für eine beabsichtigte Tätigkeit als Vermögensverwalter aufweisen kann, lag es auf der Hand, dass die Beklagte über die Risiken der beabsichtigten Börsentermingeschäfte in besonderem Maße aufgeklärt werden musste. Darin unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit vom Verfahren Dr. B. Dieser war geschäftserfahren und handelte mit eigenem Geldvermögen. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass bei den Kontoeröffnungen selber noch keine Börsentermingeschäfte getätigt wurden. Solche waren beabsichtigt, so dass mit der weiteren Aufklärung nicht zugewartet werden durfte, zumal die Beklagte persönlich anwesend war.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es im vorliegenden Fall unerheblich, dass der Zeuge B. als Vertreter der Beklagten in Wertpapiergeschäften sachkundig war. Es ist zwar zutreffend, dass bei der Aufklärungsbedürftigkeit grundsätzlich gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnisse und Erfahrungen des Vertreters abzustellen ist (vgl. BGH NJW 1995, 1554, 1555; BGH NJW 1996, 2511, 2513). Etwas anderes gilt jedoch im Falle des Vollmachtsmissbrauchs, wobei die Regeln über den Missbrauch einer Vollmacht auch dann anzuwenden sind, wenn es sich nicht um Abreden handelt, die dem Interesse des Vollmachtgebers zuwiderlaufen, sondern um Tatsachen, deren Kenntnis ihn vom Vertragsabschluss abgehalten hätte (vgl. RGZ 134, 67, 71. f.; BGH WM 1972, 1380; 1381). Danach ist es dem Vertragspartner nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Kenntnis des Bevollmächtigten als dem Geschäftsherrn zurechenbar zu berufen, wenn er weiß oder sich sagen muss, dass der Vollmachtgeber bei Kenntnis der Tatsachen den Vertrag nicht abgeschlossen hätte und zugleich damit rechnet, dass dieser die Kenntnis von seinem Bevollmächtigten nicht erlangen werde (vgl. RGZ a.a.O.; BGH a.a.O.; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 406, 407). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Zeuge L. wusste nach den erstinstanzlichen Feststellungen, dass die Beklagte in Wertpapiergeschäften ahnungslos ist und vom Zeugen B. die notwendigen Informationen nicht erhalten wird. Damit musste sich dem Zeugen L. zumindest aufdrängen, dass die Beklagte die Verträge niemals abgeschlossen hätte, wenn sie darüber informiert worden wäre, dass bei Börsentermingeschäften ein hohes Verlustrisiko besteht und nicht nur das eingesetzte Kapital verloren gehen kann, sondern die Konten ins Soll geraten können.

Das Verhalten des Zeugen L. muss sich die Klägerin auch gemäß § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen. Nach dieser Vorschrift hat ein Schuldner ein Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, im gleichen Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Dies bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass der Schuldner für schuldhaftes Fehlverhalten einer Hilfsperson einzustehen hat, soweit es in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. Die Hilfsperson darf nicht nur bei Gelegenheit der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners gehandelt haben, sondern ihr schuldhaftes Fehlverhalten muss in Ausübung der ihr insoweit übertragenen Hilfstätigkeit erfolgt sein, was auch bei strafbaren oder vorsätzlichen Handlungen gegeben sein kann (vgl. BGH NJW 1991, 3208, 3210; BGH NJW 1994, 3344, 3345; BGH NJW 1997, 1360, 1361). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall der verlangte unmittelbare sachliche Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Fehlverhalten und den übertragenen Aufgaben. Der Zeuge L. war als Anlagenberater bei der Klägerin beschäftigt und die Eröffnung der Konten durch die Beklagte erfolgte, damit der Zeuge B. über diese Konten Börsentermingeschäfte abwickeln konnte. Insoweit hielt der Zeuge L. sich im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs. Er hat es nur versäumt, die erforderliche Risikoaufklärung vorzunehmen.

Durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Zeugen L. ist der Beklagten ein Schaden in Höhe des Sollsaldos auf ihrem Konto, also der Klageforderung, entstanden. Bei einer vorvertraglichen Pflichtverletzung kann der Geschädigte gemäß § 249 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Ereignis des anderen Teils gestanden hätte (vgl. BGH NJW 1981, 1673). Wenn die Beklagte vom Zeugen L. ordnungsgemäß über die Risiken der beabsichtigten Börsentermingeschäfte aufgeklärt worden wäre, hätte sie mit Sicherheit von der Eröffnung der Konten Abstand genommen und es wäre zu keinen Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin gekommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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